Der geteilte Raum, 2020

Die Arbeit „Der geteilte Raum“ besteht aus 24 Fotografien von Wiener Nebenstraßen, aufgenommen im Frühjahr 2020. In einer nüchternen und sich wiederholenden Perspektive fotografierte Matthias Klos alle Straßenzüge, die in Wien während des ersten Lockdowns im Rahmen der Covid-19 Maßnahmen zu „temporären Begegnungszonen“ umgewidmet wurden. Die Darstellung einer zeitweilig modifizierten Verkehrsordnung zeigt mehr als eine Reaktion auf die Pandemie: Sie dokumentiert einen verhüllten Konflikt um die Frage, wer hat Zugriff auf den Stadtraum und wer kann über dessen Nutzung verfügen.

Das Gesundheitsministerium forderte pandemiebedingt Abstandsregeln im öffentlichen Raum beim begrenzt genehmigten Verlassen der Wohnungen. Auf den teilweise schmalen Gehsteigen des Wiener Stadtgebietes waren diese für Passant*innen nicht einzuhalten. Dieser Mangel an verfügbarem Raum wurde durch die wochenlange Schließung der Park- und Grünflächen der Bundesgärten in Wien verschärft, für die das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus verantwortlich ist. Darauf reagierte die Stadtregierung mit dem Einrichten von „temporären Begegnungszonen“, die eine gemeinsame Nutzung der Straße von Fußgänger*innen und Fahrzeugen vorsah, um so den Bürger*innen der Stadt zusätzliche Flächen bereitstellen zu können.

Matthias Klos folgt der administrativen Setzung dieser zeitweilig modifizierten Verkehrsordnung durch den Wiener Stadtraum. Er kartographiert und dokumentiert mit seinen Fotografien den urbanen Raum als Austragungsort einer politischen Kontroverse zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Stadt Wien: wer verfügt über den Stadtraum und in welcher Situation wird von wem der Zugriff darauf geltend gemacht. Zugleich verfolgen die Aufnahmen subtil eine lokale Kontur des globalen Geschehens, dessen Brüche und Verwerfungen die Gesellschaft noch immer formend begleiten.

Wie der österreichische Verfassungsgerichtshof im Juli 2020 feststellte, waren die Ausgangsbeschränkungen der Bundesregierung während des ersten Lockdowns in wesentlichen Teilen gesetzeswidrig.

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Matthias Klos wurde 1969 in Hersbruck geboren und lebt heute in Wien.